Nicht vorrätige Waren und Substitutionen beim Online-Lebensmitteleinkauf

14 Okt 2024
Nicht vorrätige Produkte gehören zu den größten Nachteilen des Online-Einkaufs

LOGISTIKFORSCHUNG
Von Dong Hoang und Els Breugelmans

Kunden, die Lebensmittel online kaufen, geben ihre Bestellungen vor dem Datum auf, an dem sie ihre Lebensmittel abholen oder erhalten wollen. Aufgrund dieser Zeitverzögerung kann es vorkommen, dass Produkte, die verfügbar waren, vor der Auslieferung ausverkauft sind. Diese sogenannnten OOS-Vorfälle (out of stock after purchase) stellen einen der drei Hauptnachteile beim Online-Einkauf dar.

In Studien wurde untersucht, wie die negativen Auswirkungen der OOS abgeschwächt werden können. Diese Untersuchungen ergaben neben weiteren Strategien, dass die Offenlegung des Fehlbestands von Anfang an empfehlenswert sei. Zusätzlich müsse man wirtschaftliche Anreize für die Zukunft oder für die verbleibende Restmenge anbieten, (backorders), anstatt die gesamte Transaktion zu stornieren. Ein finanzieller Ausgleich verringert unmittelbar die Unzufriedenheit der Kunden, ist aber auch die am wenigsten rentable Option für die Unternehmen.

Zwischen 30 und 45 % der Kunden geben an, dass sie mit dem Ersatzprodukt

In den meisten Fällen ersetzen Unternehmen den OOS-Artikel durch einen anderen und vermeiden damit, dass der Kunde leer ausgeht oder frustriert zurückbleibt. Jedoch ist der Nutzer nicht mehr online, um ein alternatives Produkt auszusuchen, wenn der Fehlbestand eintritt. Aus diesem Grund muss der Online-Händler in der Abholphase der Bestellung eine Ersatzperson auswählen. Da mit diesem Produkt das Ziel verfolgt wird, die Verbraucher nicht unzufrieden zurückzulassen, ist eine wirksame Strategie für die Auswahl der am besten geeigneten Option von entscheidender Bedeutung. Die richtige Auswahl ist jedoch herausfordernd, und zwischen 30 und 45 % der Kunden geben an, dass sie mit dem Ersatzprodukt, das ihnen nach dem Kauf eines OOS angeboten wurde, unzufrieden sind.

Dennoch ist die Empfehlung von Ersatzprodukten für OOS-Artikel eine Vorgehensweise, die in Betracht gezogen werden sollte und zudem eine weit verbreitete Praxis unter Online-Lebensmittelhändlern. Aus logistischer Sicht ist es für Unternehmen am sinnvollsten, das Alternativprodukt selbst zu wählen ─ ohne den Verbrauchern diese Möglichkeit anzubieten ─, um die Effizienz und die Kommissionierzeiten sicherzustellen.

Wenn Unternehmen eine Alternative bieten, vereinfacht dies den Logistikprozess

Vorgehensweise zur Auswahl eines Ersatzproduktes

Nach früheren Untersuchungen achten Verbraucher beim Ersatz eines OOS-Artikels eher auf die Ähnlichkeiten zwischen dem OOS-Artikel und dem potenziellen Ersatzartikel und überlegen, ob sie ihn schon einmal benutzt haben oder welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Aus diesem Grund analysiert eine im Journal of Retailing veröffentlichte Studie welche Auswirkungen die Ähnlichkeit von Spezifika hat. Des Weiteren wird untersucht, welche Bedeutung die Tatsache hat, das Ersatzprodukt in der Vergangenheit ausprobiert zu haben, sowie die Wechselwirkung zwischen beiden.

Ähnliche Merkmale

Eine Ähnlichkeit zwischen den Produkten verringert den kognitiven Aufwand bei der Entscheidungsfindung. Die Ähnlichkeiten sind jedoch nicht immer homogen: Sie hängen von den Spezifika ab und können im Zusammenhang mit verschiedenen Merkmalen auftreten. Dazu gehören der Geschmack und das Branding, die als maßgebend angesehen werden. Unsere Hypothese lautete, dass das für den OOS-Artikel gewählte Spezifikum eine Schlüsselrolle für die Zufriedenheit der Verbraucher spielt. Die beiden wichtigsten Differenzierungsstrategien sind vertikal und horizontal.

  • Vertikale Differenzierung (VD): Sie kommt bei Lebensmitteln zum Einsatz, die sich leicht entsprechend ihrer Qualität oder Leistung einordnen lassen. Beispiele sind Margarine und Ketchup.
  • Horizontale Differenzierung (HD): Sie wird bei Artikeln angewendet, die nicht objektiv kategorisiert werden können, da sie sich nur durch Aspekte wie den Geschmack unterscheiden. Dies ist bei Lebensmitteln wie Müsli, Pizza oder Pommes frites der Fall.

Die Verbraucher sowohl eher bereit sind, Produkte, die sie bereits in der Vergangenheit gekauft haben, als Ersatz zu akzeptieren

Bei Substitutionsvorschlägen ist zu berücksichtigen, dass die Produktkategorie vertikal oder horizontal differenziert werden kann. In der VD ist die Leistung oder Qualität der Marke relevant, so dass das Ziel darin besteht, einen Ersatz für das nicht verfügbare Produkt anzubieten. Das Unterscheidungsmerkmal bei HD ist jedoch der Geschmack, so dass die Einzelhändler versuchen sollten, einen Ersatz anzubieten, der diesen beibehält, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigenmarke oder eine Herstellermarke handelt.

Zuvor erworbene Ersatzprodukte

Kunden neigen dazu, vertraute Produkte den unbekannten vorzuziehen, und haben oft eine Reihe von Optionen im Kopf, die auch ihren Anforderungen entsprechen können. Eine weitere Hypothese lautet daher, dass die Verbraucher sowohl in den VD- als auch in den HD-Kategorien eher bereit sind, Produkte, die sie bereits in der Vergangenheit gekauft haben, als Ersatz zu akzeptieren.

Simulation des Online-Einkaufs

Für die Datenerhebung haben wir eine Umgebung verwendet, die eine Online-Einkaufswebseite für Lebensmittel simuliert, und in jeder Kategorie wurden mehrere Herstellermarken und eine Eigenmarke aufgenommen. Um Verzerrungen zu vermeiden, haben wir einen imaginären Einzelhändler mit einer eigenen Handelsmarke geschaffen und die Teilnehmer gebeten, das Produkt so zu bewerten, wie eines der Marke, die sie früher benutzten. Hinsichtlich der Vorgehensweise, zuvor gekaufte Produkte anzubieten, wurden die zugewiesenen Ersatzprodukte mit den Artikeln verglichen, die die Befragten in den zwölf Monaten vor dem Experiment gekauft hatten (Produkte, die sie kannten).

Die Untersuchung bestand aus drei Teilen: einem Vorab-Fragebogen, einer Kauf- und Versandsimulation und einer Nachbefragung. Nach Abschluss der Transaktion mussten sich die Teilnehmer vorstellen, dass sie vor der Lieferung eine Nachricht mit der Information erhalten hätten, dass eines der bestellten Lebensmittel nicht mehr vorrätig sei und der Einzelhändler ein anderes schicken würde.

Die Befragten gaben an, wie sie den Produktwechsel wahrgenommen hatten

Die Nachricht lautete: „Der von Ihnen bestellte Artikel ist [Name des OOS-Artikels]. Der Ersatzartikel ist: [Name des Ersatzes].“ Der Ersatz wurde nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und entsprach einer von drei Bedingungen: dieselbe Marke, dieselbe Geschmacksrichtung und eine Herstellermarke oder dieselbe Geschmacksrichtung, aber eine Eigenmarke. Einigen Teilnehmern wurden Artikel angeboten, die sie bereits gekauft hatten, andere wiederum bekamen Produkte präsentiert, die sie nicht kannten.

Nach Auswertung dieser Informationen gab der Verbraucher an, ob er diese Option akzeptiert oder ablehnt. Die Befragten beantworteten dann verschiedene Fragen: Wie wurde diese Änderung ─ in Bezug auf Qualität, Kosten und ob sie ihnen fair erschien─ wahrgenommen bzw. wie beurteilen sie den Einzelhändler ─ Vertrauen und Zufriedenheit─.

Ergebnisse und Hinweise

Die Effektivität der Substitutionsvorgehensweise nach dem Kauf eines OOS-Artikels wurde mit zwei repräsentativen Stichproben von über 3.000 britischen Verbrauchern getestet. Das Experiment ergab folgende Ergebnisse:

  • In den horizontalen Kategorien wird eine Substitution eher angenommen, wenn sie dem Geschmack des OOS-Artikels entspricht. Die Marke spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
  • Umgekehrt wird in den vertikalen Kategorien ein Wechsel eher als zufriedenstellend empfunden, wenn die angebotene Alternative von derselben Marke ist.
  • Die Verbraucher akzeptieren viel eher Produkte, die sie bereits gekauft haben.

Können Unternehmen wirksame Substitutionsprotokolle einführen

Diese Ergebnisse spiegeln möglicherweise wider, dass Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Vorstellung von Gerechtigkeit die zugrunde liegenden Mechanismen sind. Wenn die Tatsache, dass ein Artikel nach dem Kauf nicht mehr vorrätig ist (OOS), ein Serviceversagen darstellt, scheint ein Ersatz, der dem maßgebenden Spezifikum entspricht (Vorgehensweise 1) oder zuvor gekauft wurde (Vorgehensweise 2), ein gerechterer Austausch zu sein und zeigt, dass der Einzelhändler die Kundenwünsche berücksichtigt hat. Wie in der Grafik zusammengefasst, können Unternehmen wirksame Substitutionsprotokolle einführen.

Substitutionsoptionen für nicht vorrätige Artikel nach dem Kauf (OOS)
Substitutionsoptionen für nicht vorrätige Artikel nach dem Kauf (OOS)

Zur Veranschaulichung des Schaubilds wurde verglichen, wie sich die Annahmequote unter bestimmten Kriterien verändert. Wie wird der Artikel angenommen, wenn der Händler einen anderen Artikel nach dem Zufallsprinzip auswählt, der bereits in der Vergangenheit gekauft wurde. Im Vergleich dazu wurde die Annahme getestet, wenn die wirksamsten Maßnahmen, die in unserer Analyse vorgeschlagen werden - und die im Schaubild dargestellt sind - zur Anwendung kommen. Die Akzeptanz der Substitution stieg bei dieser Verbrauchergruppe von 66 % auf 75 %.

Das Potenzial von ML und KI

Letztendlich liefert unsere Studie zwar Substitutionsentscheidungen, die für die meisten Unternehmen anwendbar sind, aber große Unternehmen müssen zu flexibleren Vorhersagemodellen übergehen, die Machine Learning und künstliche Intelligenz nutzen, um eine breitere Palette von Kategorien und Transaktionen zu berücksichtigen. Zudem eröffnet der Einsatz von Automatisierung den Einzelhändlern die Möglichkeit, unmittelbar mit den Verbrauchern zu kommunizieren, sobald ein OOS-Artikel ermittelt wird. Folglich gibt es auch mehr Optionen, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.

 


 

AUTORINNEN DER STUDIE:

Dong Hoang, Senior Lecturer an der Leeds Beckett University (UK) DONG HOANG
Senior Lecturer für Marketing an der Leeds Business School, Leeds Beckett University (UK)
Els Breugelmans, Promotion im KU Leuven, Antwerpen (Belgien) ELS BREUGELMANS
Promotion im Bereich Einzelhandelsmarketing, Professorin, Fachbereich Marketing, KU Leuven, Antwerpen (Belgien)

 


 

Originalveröffentlichung:

Hoang, Dong, Breugelmans, Els 2023. ‘Sorry, the product you ordered is out of stock’: Effects of substitution policy in online grocery retailing, in Journal of Retailing 99 (Elsevier).