LOGISTIKFORSCHUNG
Die Automatisierung von Lagern ist ein weltweit zunehmendes Phänomen. Wie können Lagermitarbeiter und Industrieroboter gemeinsam die Produktivität steigern? In einer Studie der Technischen Universität München und der Universität zu Köln wird überprüft, welche Mechanismen die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und ihren neuen Teamkollegen - den Robotern - verbessern können.
Mit zunehmendem Automatisierungsgrad in den Logistikzentren steigt auch die Zahl der Roboter, die mit den Lagermitarbeitern zusammenarbeiten. „In vielen Fällen bedarf es hybrider Konfigurationen, da weder das Lagerpersonal noch die Automatisierung per se die Effektivität erreichen, die aus einer Zusammenarbeit resultiert“, beschreibt Alexander Hübner, Hauptautor der Studie New team mates in the warehouse: Human interactions with automated and robotized systems.
Laut Hübner, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München, müssen sich sowohl Manager als auch Mitarbeiter auf zukünftige Mensch-Roboter-Interaktionen vorbereiten: „Bei der Festlegung der Betriebsabläufe muss der Faktor Mensch und dessen Auswirkung auf den Betrieb verstanden und berücksichtigt werden, um die Effizienz automatisierter und robotergestützter Lagersysteme zu steigern.
4 forschungsgestützte Empfehlungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Roboter und Mitarbeiter
Die Wissenschaftler analysierten die Interaktionen zwischen Mensch und Maschine in Lagerhäusern unter dem Gesichtspunkt der Verhaltensforschung. Dabei galt es zu verstehen, wie das Verhalten der Lagermitarbeiter die Leistung in einer hybriden Arbeitsumgebung steigern kann.
Berücksichtigt man die Forschungsergebnisse, sollten Manager für eine strategische Entscheidungsfindung und verbesserte Zusammenarbeit in automatisierten Lagern die folgenden 4 Empfehlungen beachten:
1. Bildung effektiver Mensch-Roboter-Teams im Lager
Wird die Arbeitsumgebung mit automatisierten Systemen geteilt, ändern sich menschliche Verhaltensweisen und es entsteht eine neue Gruppendynamik. Für eine erfolgreiche Automatisierung müssen die Manager genau beachten, wie die Roboter im Lager wahrgenommen und integriert werden.
Gemäß den Ergebnissen der Studie sind Vertrauen und Akzeptanz der Technologie entscheidende Faktoren für das erfolgreiche Management von Mensch-Maschine-Teams. „Nach Angaben verschiedener Experten beeinträchtigt mangelndes Vertrauen die Leistung in Lagern mit hybrider Mensch-Roboter-Kollaboration. Für die Bildung effizienter Mensch-Maschine-Teams bedarf es daher Mechanismen zur Stärkung der Zusammenarbeit und Interaktion zwischen Mensch und Robotersystemen“, stellt Hübner fest.
2. Rekrutierung und Ausbildung geeigneter Fachkräfte für eine gut funktionierende Mensch-Maschine-Interaktion
Die Interaktion mit Robotern erfordert fachspezifische Kompetenzen. Mitarbeiter unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit, ihren Vorlieben und Fertigkeiten. Diese Faktoren spielen bei der Gestaltung einer effizienten Lagerkonfiguration eine wesentliche Rolle. „Da die individuelle Leistung eines Menschen selbst bei standardisierten Tätigkeiten variiert, ist es von entscheidender Bedeutung, die individuellen Fähigkeiten eines Mitarbeiters zu kennen, um ihm die passenden Aufgaben zu übertragen“, betont Hübner.
Die Arbeit mit Robotersystemen erfordert beispielsweise Programmierkenntnisse sowie Problemlösungskompetenzen, um mit unvorhergesehenen Ereignissen am Arbeitsplatz umzugehen, und auch Soft Skills, wie die Bereitschaft, sich an wechselnde Aufgaben anzupassen. Die Gewährleistung einer produktiven Zusammenarbeit erfordert die Einstellung, Ausbildung und den Einsatz der für die vorgesehenen Aufgaben geeigneten Arbeitskräfte. Die Forscher argumentieren, dass Unternehmen „angesichts der derzeit hohen Fluktuationsraten und des hohen Bedarfs an Zeitarbeitskräften während der Nachfragespitzen lernen müssen, neue Talente für die Mensch-Maschine-Interaktion anzuwerben und zu behalten.“
3. Aufgabenzuweisung und Entwicklung betrieblicher Strategien für Menschen und Maschinen
Durch die Interaktion mit Robotern entsteht eine Interdependenz bei der Aufgabenbewältigung, was bedeutet, dass sich die Leistungen von Mensch und Maschine gegenseitig bedingen. Für die Logistikleiter ist es entscheidend, bei der Aufgabenzuweisung an die Mitarbeiter und Robotersysteme ein Gleichgewicht herzustellen. „Logistikleiter müssen sich daher unbedingt mit der Frage befassen, wie die Stärken von Menschen und Maschinen effizient genutzt werden können, wie die Arbeitslast innerhalb von Mensch-Roboter-Teams verteilt werden kann und wie die entsprechenden Arbeitsabläufe gestaltet werden können“, so die Forscher.
In hybrider Arbeitsumgebung neigen die Mitarbeiter dazu, sich mit den Maschinen zu vergleichen. Zudem haben sie bei bestimmten Aufgaben, Prozessen und Konfigurationen ihre Präferenzen. Um die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter optimal zu gestalten, sollten Manager Mechanismen einführen, die Transparenz und Autonomie sicherstellen und dafür sorgen, dass beide voneinander profitieren. Laut Expertenmeinung können diese drei Aspekte die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter stärken und folglich zu einer Leistungssteigerung führen.
4. Gestaltung ansprechender und unmittelbarer Mensch-Maschine-Interaktionen
Angesichts der zunehmenden Automatisierung müssen Logistikleiter motivationsfördernde Interaktionen gestalten, so dass das Lager für die Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitsplatz wird.
Die psychische und physische Arbeitsbelastung muss richtig verteilt werden, damit die Mitarbeiter und Maschinen die für sie am besten geeigneten Aufgaben erhalten. Eine hohe physische Arbeit mit geringer geistiger Stimulation kann bspw. zu einer Effizienz- und Qualitätsminderung führen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der den Robotern zugewiesenen Arbeit und den Aufgaben der Mitarbeiter ist daher von entscheidender Bedeutung für eine höhere Arbeitsmotivation.
Neben einer ausgewogenen Aufgabenverteilung können Manager auch durch die Festlegung von Zielen und Anreizen für eine produktive Mensch-Roboter-Interaktion sorgen. Diese Strategie kann dazu beitragen, dass die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz mit mehr Engagement und höherer Effizienz arbeiten.
Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter
Nach Meinung der Wissenschaftler können Lieferanten, Ingenieure von Lagersystemen und Logistikleiter das Potenzial der genannten vier Empfehlungen für die gelungene Interaktion zwischen Mensch und Roboter nutzen. Sie dienen als Unterstützung, um optimale Lösungen zu gestalten und strategische Entscheidungen zu treffen.
„Unsere Studie zeigt, dass Interaktionen mit Robotersystemen inzwischen ein häufig auftretendes Phänomen sind. Zudem konnten wir feststellen, dass auch Autonomie angesichts der Flexibilität und Skalierbarkeit der Roboter einen hohen Stellenwert in der Intralogistik hat“, schlussfolgern die Autoren.
Originalveröffentlichung: Lorson, F, Fügener, A & Hübner, A (2023). New team mates in the warehouse: Human interactions with automated and robotized systems, IISE Transactions, 55:5, 536-553, DOI: 10.1080/24725854.2022.2072545.