Ein Lagerverwaltungssystem (LVS) ist eine Software, welche zur Optimierung der Prozesse eines Lagers genutzt wird. Die Hauptfunktion der Software ist die Kontrolle, Koordinierung und Optimierung aller Bewegungen und Prozesse innerhalb des Lagers.
Auch wenn die konkrete Umsetzung und Konfigurierung des Lagerverwaltungssystems (LVS) von der Analyse des Materialflusses sowie des genauen Standorts des Lagers abhängen, gibt es grundlegende Funktionen, welche von jedem LVS abgedeckt werden müssen:
- Die Eingangsverwaltung: Geht die Ware ins Lager ein, durchläuft sie den Empfangsprozess, bei dem ihre Vielfalt, Menge, Eigenschaften und ihr Zustand bzw. die Qualität überprüft werden. Dazu werden die gesammelten Daten mit der vom ERP-System (zentrales Unternehmensverwaltungssystem) erhaltenen Anweisung abgeglichen.
- Die Platzierungsverwaltung: Innerhalb der sogenannten Platzierungsprozesse werden die Platzierungsaufträge der Waren im Lager verwaltet, indem festgelegt wird, welches die jeweils beste Position ist, gemäß Typologie, Eigenschaften, Abmessungen etc. Dazu werden vorab spezifizierte Regeln und Strategien festgelegt.
- Die Bestandskontrollenverwaltung: Dabei handelt es sich um ein ganz besonderes Werkzeug innerhalb der LVS, da hiermit in Echtzeit die Position, der Zustand, die Menge und die Eigenschaften des Bestandes im Lager abgerufen werden können.
- Die Ausgangsverwaltung: Bei der Verwaltung der Versandprozesse geht es um die Zusammenstellung der Aufträge, die an Kunden geschickt werden, die Verlagerung von Waren in andere Lager oder die Rücksendung an Lieferanten. Schlussendlich übernimmt die Ausgangsverwaltung den Ausgang und die Abmeldung der Ware aus dem Lagerbestand durch Operationen wie Kommissionierung, Ausgang von kompletten Behältern, Konsolidierung von Bestellungen und Ausgabe der Waren an das Lieferfahrzeug.
In den folgenden Abschnitten wird ein Überblick über die Operationen gegeben, die eine Lagerverwaltungssoftware in jeder dieser grundlegenden Funktionen abdecken sollte.
Beispiel des Aufbaus eines LVS (Lagerverwaltungssystems).
Eingangsfunktionen
Innerhalb dieser Gruppe von Funktionen eines LVS (Lagerverwaltungssystem) sind drei Operationen hervorzuheben, die über die Software verwaltet werden können. Dazu gehören: der Empfang, die Erfassung von logistischen Daten sowie die Etikettierung der Behälter bzw. der Waren.
Wareneingangsfunktionen
Eine der Funktionen des LVS ist die Steuerung des Wareneingangs. Der Warenempfang kann auf drei unterschiedliche Weisen erfolgen. Bei der ersten Form werden nicht palettierte Artikel in Empfang genommen, die in verschiedenen Behältern konsolidiert werden, während ihre Eigenschaften und logistischen Attribute registriert werden, um sie danach im Lager zu platzieren.
Eine weitere Form des Warenempfangs erfolgt über Behälter, in denen die Waren auf Paletten ins Lager gelangen. In diesen Fällen ist keine Konsolidierung mehr notwendig, sodass nur noch die Validierung der logistischen Attribute und der Mengen der erhaltenen Waren erforderlich ist, um danach zur Platzierung derselben überzugehen.
Eine dritte grundlegende Art des Empfangs in einem Lager stellen Artikel dar, die aus Rücksendungen stammen. Auch wenn diese Art den oben aufgeführten Empfängen ähnelt, so weist sie doch Besonderheiten auf. Während des Eingangprozesses der Ware in die Anlage können z. B. Status oder Sperrungen auferlegt werden, mithilfe derer u. a. angezeigt werden kann, dass eine Qualitätskontrolle nötig ist oder eine Revision aussteht etc. Daraufhin sollte die Platzierung dieser Art von Waren in spezifischen Bereichen innerhalb des Lagers erfolgen.
Erfassung von logistischen Daten
Die zweite Eingangsoperation, die mithilfe der Software gesteuert wird, ist die Erfassung von logistischen Daten. Darin enthalten sind unterschiedliche Informationen, wie z. B. die Charge, zu der die Ladung gehört, deren Verfallsdatum, Gewicht, Temperatur, Seriennummer etc. Die Erfassung dieser Daten während des Empfangsprozesses ermöglicht die Verfolgbarkeit des Bestands.
Die logistischen Attribute, wie die Identifizierung der Charge oder der Seriennummer, ermöglichen es, nachträglich in Erfahrung zu bringen, welche Waren exakt an jeden einzelnen Kunden geliefert wurden.
Etikettierung der Waren
Eine dritte Eingangsfunktion, die von dem LVS gesteuert wird, ist die Etikettierung der Waren. So sollte die Software dazu in der Lage sein, Barcode-Etiketten für alle zu lagernden Behälter und Waren erstellen zu können. Die Lesung dieser Codes ermöglicht es, alle Prozesse und Operationen, die innerhalb des Lagers durchgeführt werden, exakt zu validieren. Dadurch können mögliche Fehler und Verwechslungen bei der Handhabung der Waren vermieden werden.
Ein Scanner liest den Barcode und informiert das LVS.
Mit den Barcodes können auch alle einzelnen Artikel, die in Empfang genommen werden, etikettiert werden, sodass die Ausgangsprozesse später schneller und effizienter durchgeführt werden können.
Die Empfangsdokumentation ermöglicht es zudem, Berichte zu erstellen, aus denen die Abweichungen zwischen den geplanten Waren und den tatsächlich empfangenen Waren hervorgehen, sowie andere Aspekte, wie z. B. die Einhaltung von Zeitfenstern während des Empfangs.
Die Aufgaben eines LVS (Lagerverwaltungssystem) sind mit diesen Aktivitäten längst nicht beendet. Über eine Schnittstelle wird der Abschluss des Empfangs an das ERP-System des Unternehmens weitergeleitet, in dem exakt spezifiziert ist, wie viele Einheiten welcher Artikelnummern in das Lager eingegangen sind. Auf diese Weise kann das ERP-System die Verwaltungsvorgänge mit den Lieferanten abwickeln.
Platzierungsfunktionen
Eine zweite Funktion eines LVS (Lagerverwaltungssystem) ist die sogenannte Platzierungsfunktion. Bei dieser sind drei Prozesse hervorzuheben: die Positionsverwaltung anhand von Regeln und Strategien, das Cross-Docking und die Auffüllung und Konsolidierung.
Positionsverwaltung anhand von Regeln und Strategien
Die Positionsverwaltung übernimmt anhand von Regeln und Strategien für eine konkrete Ware die Auswahl der geeigneten Position im Lager. Dazu berücksichtigt die Software Parameter wie die Artikelrotation (A, B oder C), die Art der zur Konsolidierung der Waren verwendeten Behälter, die gehandhabten Produktfamilien bzw. -typen, die Gefährlichkeit oder Inkompatibilität unterschiedlicher Produkte, die Präsentationen der Artikel, das Volumen derselben etc.
Cross-docking
Über das Cross-Docking werden wiederum Bewegungen der Ladungen eingespart. Wenn im Lager eine Ware eingeht, von der ein Produkt zu entnehmen ist, das Teil der aktiven Bestellung darstellt und das nicht im Bestand vorhanden ist, wird diese Ware direkt aus dem Empfangsbereich im Bereich der Auftragsvorbereitung platziert. Nachdem die erforderlichen Produkte zum Ausgang vorbereitet wurden, erfolgt die Platzierung der restlichen Waren im Lager.
Verwaltung der Auffüllung und Konsolidierung
Die dritte Platzierungsfunktion ist die Verwaltung der Auffüllung und Konsolidierung. Diese hat ebenfalls die Einsparung von Warenbewegungen innerhalb der Installation zum Zweck. Sie kommt, genauso wie das Cross-Docking, vor der endgültigen Platzierung der Ladung zur Anwendung.
Diese Funktion wird in Zentren durchgeführt, in denen Kommissionierungsposten eingerichtet wurden. Wenn in diesen nur noch wenige Produkte verbleiben, müssen diese mit den soeben eingegangenen Waren aufgefüllt werden, damit ausreichend Bestand für die Abwicklung der Bestellungen vorhanden ist. Danach erfolgt die Platzierung der verbliebenen Ladung im Lager.
Funktionen der Bestandskontrolle
Bei der Verwaltung der gelagerten Waren muss die Software fähig sein, vollständige und nützliche Informationen über den Bestand zu liefern. Dazu wird auf verschiedene Funktionen zugegriffen.
- Visualisierung der Lagerkarte: Bei dieser, wahrscheinlich intuitivsten Funktion der Bestandskontrolle, wird eine grafische Darstellung der Installation erzeugt. Hier werden alle einzelnen Positionen der Behälter und die Waren selbst detailliert, sowie deren Zusammensetzung.
- Positionsverwaltung: Diese ist ein weiteres Werkzeug, über das eine Lagerverwaltungssoftware (LVS) verfügen sollte. Damit können Positions-Informationen abgerufen und bearbeitet werden, wie der Positionstyp, die auferlegten Blockierungen, deren Abmessungen, Eigenschaften, die Lagerbereiche, zu denen diese gehört usw.
- Bestandsstatus: Die Verwaltung des Bestandsstatus muss mithilfe der Software verwaltet werden können, um die Daten im Hinblick auf Quarantänen, Brüche, Blockierungen, Reservierungen usw. abrufen und verändern zu können.
Die Software kann auch eigenständige Operationen durchführen, die bei der Lagerverwaltung helfen. Eine davon ist die Berechnung der Artikelrotation. Abhängig von den Bewegungen, die während eines vorgegebenen Zeitraums durchgeführt werden, kann das System feststellen und informieren, welche die ideale Rotation eines Artikels wäre und diese mit der Rotation vergleichen, die diesem Artikel im Artikelmaster zugeteilt ist. Mit diesem Werkzeug kann die A-B-C Rotation neu berechnet und die dem Artikel zugewiesene Rotation verändert werden, falls dies für effizienter oder zweckmäßiger erachtet wird.
Die letzte unentbehrliche Funktion in Bezug auf den Bestand heißt Zählung und Inventar. Mit diesen programmierbaren Aufgaben kann sowohl ein globales Inventar des gesamten Lagers erstellt werden als auch ein spezifisches Inventar eines Artikels, Standorts oder einer konkreten Zone. Für den Fall, dass Bestandsabweichungen festgestellt werden, wird automatisch das ERP-System informiert.
Ausgangsfunktionen
Neben der Verwaltung des Eingangs und der Platzierung der Waren übernimmt das Lagerverwaltungssystem (LVS) auch die Ausgangskontrolle der Produkte. Die wichtigsten Funktionen dieser Phase der Lagerhaltung sind:
Vorbereitung der Ware
Eine der wichtigsten Funktionen, die in dieser Phase der Lagerhaltung durchgeführt werden soll, beginnt mit der Abwicklung der Vorbereitung der Ware, die aus dem Lager ausgehen soll. Diese Aktivität umfasst, neben weiteren Aspekten, die Gruppierung von Bestellungen und die Zuweisung derselben. Dies ermöglicht die Kontrolle darüber, wie die Bestellungen ausgeführt werden und wer dafür zuständig ist: die Zuweisung der Laderampen, das für die Vorbereitung zuständige Lagerpersonal, die Art der Gruppierung der Bestellungen und das Zeitfenster, in dem diese stattfindet usw.
Kommissionierprozesse
Innerhalb der Vorbereitung der Ware kann die Software auf einer sehr detaillierten Ebene die durchzuführenden Operationen verwalten, wie z. B. die Kommissionierprozesse. In diesem Sinne definiert und steuert das System die Wege des Personals, welches dieser Aufgabe zugeteilt wurde, und die Präsentation der Artikel.
Einer der bedeutendsten Vorteile, die sich aus der Verwaltung der Kommissionierung durch die LVS ergeben, ist, dass das System fähig ist, den Prozess zu optimieren, damit dieser in der kürzest möglichen Zeit und mit der geringstmöglichen Anzahl an Bewegungen durchgeführt wird. Gleichzeitig werden die spezifischen Parameter für die Bestellung berücksichtigt, die vom ERP-System gesendet werden.
Etikettierung im Versandvorgang
Ein weiterer Bestandteil der Warenvorbereitung bezieht sich auf die Etikettierung im Versandvorgang, mit deren Hilfe die Packstücke der Bestellung identifiziert werden. Hierbei werden dieselben Vorgänge durchlaufen wie bei der Eingangsetikettierung.
Dokumentation der Versandvorgänge
Im Warenausgang werden außerdem die Versandvorgänge dokumentiert. Dies erleichtert es Unterlagen wie die Packliste (Auflistung der Artikel, aus denen sich die Bestellung zusammensetzt) zu erstellen, sowie Papiere für die Spedition und Berichte, die mögliche Abweichungen offenlegen.
Verladung der Versandgüter
Nach diesen Operationen verwaltet die Software die Verladung der Versandgüter in die Fahrzeuge. Dank dieser Funktion wird die Qualität der Sendung kontrolliert, wodurch Fehler vermieden werden, wie z. B. der irrtümliche Versand von Material an einen Kunden, der dieses nicht angefordert hat.
Insgesamt kann das Lagerverwaltungssystem (LVS) die Ausgangsoperationen bis zur letzten Phase verwalten, was die Kommunikation des Versandabschlusses an das ERP-System wäre. Diese erfolgt über eine Schnittstelle zwischen den beiden Systemen. Mit dieser Funktion wird der Ressourcenverwalter des Unternehmens informiert, aus wie vielen Einheiten und aus welchen Artikelnummern der Versand bestand bzw. welche Packstücke in jedem der ausgeführten Ausgabeaufträge versandt wurden. Mit diesen Daten kann das ERP-System die Verwaltungsvorgänge mit den Kunden abwickeln.
Funktionen in komplexen Lagern
Manchmal bestehen die Installationen wiederum aus Zonen oder Lagern, die miteinander verbunden sind. Zum Beispiel gibt es Fälle, in denen ein Bereich mit herkömmlichen Regalen, ein automatisiertes Hochregallager mit Regalbediengeräten, ein automatisiertes horizontales Karrussel usw. verwaltet werden müssen. Die Kombinationen sind unendlich und können sehr komplexe Zentren ergeben. Ein Lagerverwaltungssystem (LVS) sollte in der Lage sein, alle diese Bereiche mit unterschiedlichen Typologien und Operationen in ihren Eingangs-, Platzierungs- und Ausgangsprozessen global und integriert zu verwalten.
- Die Software sollte fähig sein, Systeme zur Auftragsvorbereitung zu verwalten, die Pick-to-light und Put-to-light-Lösungen verwenden. Diese Art der Installation ermöglicht es, die Auftragsvorbereitung flüssiger und agiler zu gestalten.
Pick-to-light Lösungen eignen sich sehr gut für pharmazeutische Unternehmen.
- Die Kommissionierung kann auch durch eine weitere Technologie wie dem Voice Picking bzw. der sprachgesteuerten Kommissionierung erleichtert werden. Mit diesem System, das von der Software verwaltet werden sollte, braucht der Lagerbeiter nicht seine Hände zu verwenden, um das Terminal oder sonstige Steuerung zu bedienen. Stattdessen erhält er die Anweisungen über ein Sprachsystem und kann dem System ebenfalls durch Sprechen Informationen zukommen lassen. Dies ermöglicht eine bessere Handhabbarkeit von Waren, die mit beiden Händen bedient werden müssen.
- Das Lagerverwaltungssystem (LVS) sollte zudem in der Lage sein, die Stapelbarkeit der Waren in der Auftragsvorbereitung zu verwalten. Dies ermöglicht die Optimierung der Packstückvorbereitung, indem bestimmte Parameter befolgt werden. So wird zum Beispiel kontrolliert, dass auf einer Palette oder in einem Behälter zuerst die stabileren und danach die weniger stabilen Waren vorbereitet werden.
Weitere Funktionen
Es gibt drei weitere Funktionen des Lagerverwaltungssystems (LVS), die entscheidend für die Integration der Installation in das restliche Unternehmen oder Logistikzentrum sind.
- Verwaltung der Warenbewegungen: Eine gute Verwaltung der Warenbewegungen (Eingänge und Ausgänge) zu den Produktionslinien ermöglicht einen optimalen Warenfluss zu den Produktionslinien, sowohl in den Ausgängen als auch in den Eingängen. Dies führt zu einer erheblichen Erleichterung der internen Prozesse.
- Multilagerverwaltung: Die Verwaltung mehrerer Lager mit demselben LVS wird als Multilagerverwaltung bezeichnet. Mit dieser Funktion kann ein Unternehmen alle seine Lager global und wie ein einziges Lager verwalten, wodurch die Ressourcen sowie die EDV-Systeme optimiert werden und die Übertragungsprozesse von Waren zwischen den Lagern vereinfacht werden.
- Multiunternehmensverwaltung: Diese befindet sich auf einer höheren Ebene als die vorhergehende Funktion. Mit dieser können, wie der Name bereits sagt, verschiedene Unternehmen von ein und derselben Software verwaltet werden.
Ein LVS ermöglicht die Integration der Verwaltung mehrerer Lager.
Zuletzt ist bei einigen Projekten eine spezifische, an den Kunden angepasste Entwicklung des Lagerverwaltungssystems (LVS) erforderlich. Bestimmte Operationen, die von einigen Unternehmen durchgeführt werden, können, a priori, nicht in der Software enthalten sein, weshalb eine spezifische Entwicklung erforderlich wird. Bei der Entwicklung dieser wird als Grundlage eine bereits bestehende LVS herangezogen. Daher sollte ein LVS ausreichend vielseitig und flexibel sein, damit diese individuellen Funktionen programmiert werden können.
Zusammenfassung:
Ein Lagerverwaltungssystem (LVS) ist eine Software, welche alle lagerinternen Prozesse verwaltet. Dies beinhaltet alle Prozesse des Wareneingangs, der Platzierung, der Bestandskontrolle, sowie des Warenausgangs. Somit dient das Lagerverwaltungssystem als das Gehirn des Lagers und ermöglicht die Optimierung von dessen Produktivität.